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Zur Kollisionsgefährdung von Heidelerchen (Lullula arborea) durch Windkraftanlagen (WKA)
Auch wenn Heidelerchen in keinem Windenergie-Leitfaden genannt werden, sind sie aufgrund ihres Flugverhaltens im Umfeld von WKA hochgradig kollisionsgefährdet. In der Planungs- und Genehmigungspraxis wird die Kollisionsgefährdung fast überall verkannt.
Um diese Gefährdung zu veranschaulichen, sollen nachfolgend erste Untersuchungsergebnisse aus 2020 zum Flugverhalten der Art vorgestellt werden. Dargestellt ist in Abb. 1 der Randbereich eines ehemaligen militärischen Geländes im Landkreis Osnabrück, wo für eine Heidelerche in der Zeit von 27.04. bis 12.06.2020 mit Hilfe eines speziellen Fernglases, welches Laser-gestützt und mit Hilfe eines Kompasses und eines Neigungsmessers Entfernungen und Koordinaten von Objekten misst und die Informationen über eine Bluetooth-Verbindung auf ein mitgeführtes Tablet überträgt, Beobachtungen an einem Heidelerchenmännchen angestellt wurden. Die Technik lässt sich einsetzen, um die Flughöhe von Vögeln – in diesem Falle Heidelerchen – zu vermessen und nicht nur zu schätzen und zusätzlich auch in ihrer flächigen Verteilung darzustellen. Im untersuchten Bereich befand sich im Erfassungsjahr 2020 ein Revier, aus dem von 13 Terminen 1033 Messungen mit Höhenangaben des singenden Männchens vorliegen. Abb. 1 veranschaulicht die räumliche Verteilung dieser Sichtungen und die Flughöhe an den eingetragenen Orten. Die Verteilung der bisher ermittelten Flughöhen ist der nachfolgenden Tabelle 1 zu entnehmen:
Tab. 1: Häufigkeitsverteilung gemessener Flughöhen 2020 in einem Untersuchungsgebiet bei Osnabrück (siehe auch entsprechende farbliche Abstufungen in den Abb. )
Höhenklasse |
Anzahl |
Charakterisierung |
Bis 50 m |
50 (4,8 %) |
In jedem Falle unkritische Flughöhe, die eine Kollision sicher ausschließt |
50 – 75 m |
60 (5,8 %) |
In der Regel unkritische Flughöhe, die nur in Ausnahmefällen (im oberen Bereich, bei plötzlichen Flugmanövern usw.) auch in kritische Situationen führen kann |
75 – 205 m |
907 (87,8 %) |
Risikobereich, in dem bei den minutenlangen Rundflügen (gemessen bis 15 min, andernorts beobachtet bis 45 min.) ein hohes Kollisionsrisiko besteht. |
205 – 230 m |
14 (1,4 %) |
Wie bei Höhenklasse 50 – 75 m, wobei als zusätzliches Risiko der Sinkflug zu berücksichtigen ist, der durch den Gefahrenbereich der Rotorhöhe führt und ggf. zu Kollisionen führen kann. |
> 230 m |
2 (0,2 %) |
Für sich unkritisch, wobei als zusätzliches Risiko der Sinkflug zu berücksichtigen ist, der durch den Gefahrenbereich der Rotorhöhe führt und ggf. zu Kollisionen führen kann. |
Die Masse der Singflüge erfolgte in Höhen, in denen die Rotoren der aktuell üblichen Größenklasse drehen (inkl. eines mit 5 m angenommenen Gefahrenbereichs durch Verwirbelungen, die über den Rotorradius hinaus wirksam sind). Legt man diese Höhenverteilung als charakteristisch für die Art voraus (Literaturauswertung dazu siehe Schreiber 2016) so ergibt sich eine massive Erhöhung des Tötungsrisikos, wenn eine Anlage im Revier einer Heidelerche errichtet wird: Geht man davon aus, dass Heidelerchenmännchen in einer Brutsaison ca. 50 Stunden Singflüge in kritischer Höhe über dem Revier vollführen (ein vermutlich eher niedriger Wert, der für die Brutsaison von Ende März bis Anfang Juni im Durchschnitt täglich lediglich eine halbe Stunde Gesang zugrunde legt) und setzt eine durch Singflüge bestrichene Fläche von 4 ha an (die durchschnittliche Reviergröße wird nach Bauer et al. 2005 mit 2-3 ha angegeben), so ergibt sich für den besonders gefahrenträchtigen Höhenbereich von 75 – 205 m ein Raum von 5.200.000 m³. In diesem Luftraum arbeitet der Rotor mit einem Radius von 65 m (60 m zzgl. 5 m mit gefährlichen Turbulenzen). Nimmt man für die daraus resultierende Rotorfläche bei Annäherung oder Durchflug eine Gefahrenzone von 3 m an, so ergibt sich eine scheibenförmige Risikozone mit einem Volumen von 65 x 65 x Õ x 3 = 39820 m³. Der Risikobereich durch die WEA macht damit 0,77 % des besungenen Luftraumes über einem Heidelerchenrevier aus. Geht man für die Singflüge weiter von einer gleichmäßigen Befliegung des Reviers aus, so hält sich ein Heidelerchenmännchen in der Brutsaison bei seinen Singflügen 0,77 % der Zeit in der gefährlichen Rotorscheibe auf, was ca. 23 Minuten entspricht. Selbst wenn man annimmt, dass die Tiere ein deutliches Ausweichverhalten zeigen, liegt es auf der Hand, dass Heidelerchen auch bei einer reinen Aufenthaltsdauer von nur einer Minute sicher getötet werden, weil der Rotor in dieser Zeit z.B. 10 Umdrehungen macht.
Heidelerchen gehören damit aufgrund ihres Flug- und Gesangsverhaltens zu den Arten, für die die fachlichen und rechtlichen Merkmale einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos gelten. So führt das Bundesverwaltungsgericht aus: "Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfasst das Tötungsverbot verkehrsbedingte Tierverluste infolge von Straßenbaumaßnahmen allein dann, wenn sich das Kollisionsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten in signifikanter Weise erhöht (Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 91). Umstände, die für die Beurteilung der Signifikanz eine Rolle spielen, sind insbesondere artspezifische Verhaltensweisen, häufige Frequentierung des durchschnittenen Raums und die Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen." (Urteil 9 A 12.10 des 9. Senats vom 14.07.2011, Rn. 99). Die Sichtweise genau dieser Entscheidung greift auch das neue UMK-Papier (2020, S. 4) auf:
„Der Verbotstatbestand des § 44 Absatz 5 Satz 2 Nummer 1 BNatSchG wird dann verwirklicht, wenn
a. Exemplare einer aufgrund ihres artspezifischen Verhaltens als kollisionsgefährdet eingestuften Art
b. mit einer erhöhten Häufigkeit im Gefahrenbereich einer WEA anzutreffen sind und
c. die Wirksamkeit anerkannter Schutzmaßnahmen nicht ausreicht, das Kollisionsrisiko insbesondere unter die Signifikanzschwelle zu senken. Insofern gilt es, die drei genannten Punkte rechtssicher und praktikabel zu spezifizieren.“
Wendet man die Bedingungen der Rechtsprechung und des UMK-Papiers an, so ist die Heidelerche als kollisionsgefährdet einzustufen:
Zu a) Die vorgestellte Höhenverteilung der Singflüge zeigt, dass die Heidelerche als kollisionsgefährdet einzustufen ist. Darauf weisen auch die Funde in der Schlagopferdatei hin, wobei zu berücksichtigen ist, dass die vergleichsweise niedrige Zahl an dokumentierten Funden damit zusammenhängt, dass Anlagen bisher erst vergleichsweise selten in Heidestandorten und Waldrandbereichen mit Habitateigenschaften für die Heidelerche errichtet wurden. Viel schwerer wiegt jedoch, dass eine systematische Suche nach Kollisionsopfern an solchen Standorten fehlt und die nur gut spatzengroße, unauffällige Vogelart in den in der Regel bewachsenen Flächen nur schwer aufzufinden ist.
Zu b) Befindet sich eine Anlage im Revier einer Heidelerche, ist von einer erhöhten Gefährdung der Individuen (und zwar konkret für das den Singflug ausführende Männchen während der Brutzeit) auszugehen.
Zu c) Anerkannte Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von Kollisionen stehen in Form von Abschaltungen zur Verfügung. Sie werden für die Heidelerche allerdings nur in wenigen Fällen verbindlich festgelegt, weil die Gefährdung bei der Planung der Anlagen ignoriert oder verkannt wird. Entsprechendes gilt auch für die Feldlerche (siehe unten).